Was verbieten Sie sich am liebsten?

Verbieten Sie sich das Verbieten – es lähmt Ihren Geist, Ihr Herz und Ihre Handlungen und behindert Ihr persönliches Wachstum.

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Ganz vortrefflich! Sofort verbieten! Das soll der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich nach der Lektüre von Heinrich HeinesReisebildern gesagt haben. So landete Heine – dank Metternichs guten Kontakten zur Inquisition – auf dem Index der verbotenen Bücher, dieser Ehrenliste freier Geister, und war dort neben Spinoza, Kant und Kopernikus in bester Gesellschaft. Hitler hat es mit Mein Kampf nicht auf den Index geschafft, der Großteil seiner Thesen verletzte keine katholischen Werte …

Verbote lähmen: unseren Geist, unser Herz, unsere Handlungen. Sie verhindern, daß wir unsere inneren Reichtümer erschließen und uns entfalten. Und: Hinter (fast) jedem Verbot steht jemand, der davon profitiert, daß andere sich daran halten.

Was steht bei Ihnen auf dem Index, auf Ihrer inneren Verbotsliste? Hier sind einige Klassiker unserer Kultur, die uns das Leben schwer machen, weil sie unser Wachstum behindern, damit andere uns besser lenken und benutzen können.

Verbote, man selbst zu werden: Denk zuerst an die anderen, nicht an dich. Nimm dich nicht so wichtig. Eigenlob stinkt. Stell dich nicht in den Mittelpunkt. Sei bescheiden. Stolz ist eine Todsünde. Laß anderen den Vortritt. Müßiggang ist aller Laster Anfang. Füg dich ein. Fall nicht auf. Das macht man nicht.

Verbote, selbst zu fühlen: Sei nicht traurig. Hör auf zu weinen. Heul nicht rum. Sei nicht so wild. Lach nicht so laut. Du wirst doch keine Angst haben. Mach ein Pokerface. Zeig dich nie verletzlich. Sei stark. Zeig nicht, was du fühlst. Ein Indianer kennt keinen Schmerz (dazu neu: „Indianer“ sagt man nicht!).

Verbote bestimmter Interessen: Schuster bleib bei deinem Leisten. Ein Junge spielt Fußball – nicht Geige. Frag nicht so viel. Sei nicht besser als andere. Sei nicht erfolgreicher als dein Vater. Sei nicht schöner als deine Mutter. Sei nicht so neugierig. Ich hatte auch keinen Klavierunterricht. 

Verbote im menschlichen Miteinander: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Was, das ist dein Freund!? Die ist kein Umgang für dich! Max ist doch so ein Netter, warum befreundest du nicht mit ihm? Mußt du immer mit denen herumhängen? Der ist nicht geimpft! Der ist geimpft!

Verbote in bezug der eigenen Selbstbestätigung: Das schaffst du allein. Das schaffst Du nie. Die anderen machen das auch so. Deine Meinung interessiert uns nicht. Wir betteln nicht um Anerkennung. So machen das alle. Fühl dich nicht liebenswert. Prahl nicht herum.

Sie haben sich beim einen oder anderen Verbot auf dieser Liste erkannt? Glückwunsch! Nun können sie anfangen, sich das Verbieten zu verbieten und der zu werden, der Sie sind.

4. Juni 2023